Jungliberale Thesen zur Bundestagswahl 2021

Mit der nächsten Bundestagswahl wird die Ära Merkel enden. Klimawandel, Corona-Pandemie, postfaktische Politik und ein sich anbahnender Systemstreit werden die neue Bundesregierung vor Herausforderungen stellen, wie sie es seit der Wiedervereinigung nicht mehr gab. Doch wird ihre Arbeit auch direkte Auswirkungen auf den Freistaat Thüringen haben. Daher formulieren wir in 12 Thesen, in welchen Bereichen aus jungliberaler Sicht die wichtigsten Baustellen der Bundespolitik liegen – vor allem in Bezug auf Thüringen.

Bildung in der Fläche sicherstellen

Für uns Junge Liberale ist Bildung der Schlüssel zum Erfolg, in Zukunft noch mehr als jetzt. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit dafür große Geldsummen zur Verfügung gestellt, die allerdings aufgrund überbordender Bürokratie meist nicht dort ankamen, wo sie gebraucht worden wären. Im Freistaat steht es infolgedessen vielerorts drastisch: Für die Anschaffung moderner Technik fehlt das Geld, die Ausstattung der Schulen hinkt der Zeit hinterher, und aufgrund fehlender Mittel stehen viele allgemein- und berufsbildende Schulen, besonders im ländlichen Raum, perspektivisch vor dem Aus. Um dieses Szenario zu verhindern und bei der Bildung wieder Vorreiter zu werden, muss die kommende Bundesregierung flächendeckend und unbürokratisch in Bildung und damit die Zukunft junger Leute investieren. Wir fordern eine ganzheitliche Strategie, die Infrastruktur, Lehrpläne, Aus- und Weiterbildung von Lehrern und die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen vor Ort innoviert.

Mit der Schulcloud hin zur digitalen Bildung

Die Thüringer Schulcloud ist mittlerweile zu einer vollständigen Lernplattform herangereift und stößt sowohl bei Lehrern als auch bei Schülern auf großen Anklang. Aber auch nach der Corona-Pandemie sollte die Schulcloud ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierung der Bildung bleiben, nicht nur auf Thüringer Ebene, sondern bundesweit. Wichtige fehlende Funktionen wie ein integrierte Mailingssystem, Sprechstunden und Möglichkeiten zur Ausblendung von Hintergrundgeräuschen sollen eingeführt werden. Zur Sicherstellung der Funktionsweise der Schulcloud muss im Rahmen des Digitalpakts die flächendeckende High-Speed-Internetanbindung an Schulen sichergestellt und Stellen für Systemadministratoren als „digitaler Hausmeister“ geschaffen werden. Wir erwarten daher von der kommenden Bundesregierung eine bundesweit möglichst einheitliche Schulcloud, an welche die Thüringer Schulcloud angeglichen werden soll, sowie deren ausreichende Finanzierung.

Das Klima schützen, den Thüringer Wald erhalten

Die Bewältigung des Klimawandels wird eine der zentralen Aufgaben der kommenden Bundesregierungen werden. Aber der Klimawandel hat nicht nur globale Auswirkungen, sondern betrifft uns auch direkt in Thüringen. Einzigartige und identitätsstiftende Regionen und Biotope wie der Thüringer Wald müssen unbedingt für kommende Generationen erhalten werden. Daher fordern wir die kommende Bundesregierung auf, besonders regionale Aspekte des Klimawandels zu berücksichtigen und die Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen zu verstärken.

Mit neuen Technologien zur Landwirtschaft der Zukunft

Die Landwirtschaft steht vor einem Strukturwandel. Um immer mehr Menschen klimaschonend und daher möglichst effizient zu ernähren, sind neue Wege in der Nahrungserzeugung notwendig. Neueste Innovationen wie Grüne Gentechnik oder Dünge- und Anbautechniken könnten maßgeblich dazu beitragen, die Bevölkerung in einer vom Klimawandel gezeichneten Zeit nachhaltig zu ernähren, allerdings stehen rechtliche Rahmenbedingungen und Förderrichtlinien im Weg. Wir erwarten daher von der kommenden Bundesregierung die Gleichstellung Grüner Gentechnik mit herkömmlicher Züchtung und die Sicherstellung der Förderung neuer Agrar-Technologien.

Ein qualifiziertes Einwanderungsgesetz gegen den Fachkräftemangel

Schon lange klagen Unternehmen über fehlende Fachkräfte. Besonders im Freistaat Thüringen, der tendenziell qualifizierte Arbeiter an die alten Bundesländer verliert, stellt dies ein großes Problem dar. Hingegen wollen viele gut ausgebildete Menschen gerne in Deutschland arbeiten, allerdings ist es ihnen aufgrund eines fehlenden Einwanderungsgesetzes häufig nicht möglich, in Deutschland zu arbeiten. Daher fordern wir die kommende Bundesregierung auf, endlich ein modernes Einwanderungsgesetz einzuführen, welches die Migration einheitlich und vor allem unter Berücksichtigung des Blickpunktes der europäischen Ebene regelt. Die Einwanderung selbst soll nach einem Punktesystem erfolgen, welches die Nachfrage nach in Deutschland besonders benötigten Qualifizierungen abbildet. Gleichzeitig muss dem Fachkräfteschwund aus Thüringen entgegenwirkt und Anreize geschaffen werden, damit wir nicht vollständig abhängig von ausländischen Arbeitern werden.

Mit Home-Office erste Schritte zu New Work gehen

Durch Corona haben viele Menschen ihre Prioritäten neu evaluiert und das Home-Office für sich entdeckt. Besonders das Leben auf dem Land wird so für viele attraktiver, wodurch der Landflucht entgegengewirkt werden kann, die besonders ländlich geprägte Regionen wie weite Teile Thüringens trifft. Dem Home-Office stehen allerdings häufig überflüssige Bürokratie und staatliche Regulierungen entgegen. Eins der Ziele der kommenden Bundesregierung muss also der Abbau von Hürden zur Arbeit im Home-Office sein.

Die KMUs nicht vergessen

Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) stellen das Rückgrat der deutschen und besonders der thüringischen Industrie dar. Wie der Rest der Wirtschaft litten sie stark unter der Corona-Pandemie. Um ihr wieder auf die Beine zu helfen, ist die Bundesregierung gefragt. Einerseits sollten sie bei den Corona-Hilfen nicht vergessen werden, andererseits ist dringend Abbau unnötiger Bürokratie und eine Reform der Nachfolgeregelungen nötig. Entsprechend fordern wir die kommende Bundesregierung auf, Maßnahmen zur Förderung von KMUs zu ergreifen.

5G-Ausbau: Diesmal richtig

Im Mobilfunkausbau ist Deutschland seit langer Zeit im internationalen Vergleich abgehängt. Darunter leiden direkt vor allem junge Menschen in ländlich geprägten Regionen, aber auch Menschen in vergleichsweise gut ausgebauten Regionen müssen extrem hohe Gebühren zahlen. Mit dem Aufkommen von 5G-Technologien sollte aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt werden und endlich flächendeckend gutes Netz zur Verfügung gestellt werden. Die kommende Bundesregierung darf die Fehler beim Ausbau des 4G-Netzes nicht wiederholen und muss die flächendeckende Versorgung mit moderner und mobiler Infrastruktur ermöglichen.

Extremismus im Keim bekämpfen

Politischer und religiöser Extremismus attackiert die Grundfesten unserer Demokratie und gehört entschieden bekämpft. Die Extremisierung beginnt oft schon in jungen Jahren und ein Ausstieg ist nur schwer möglich. Prävention ist der wichtigste Teil der Extremismusbekämpfung und muss bereits in der Schule beginnen. Programme zur Deradikalisierung und Aussteigerprogramme haben Erfolg verzeichnet, sind allerdings chronisch unterfinanziert. Um Gefahren für unsere Demokratie zu verhindern, wird die kommende Bundesregierung die Förderung von Anti-Extremismus-Programmen erhalten und weiter ausbauen müssen.

Bürgerrechte gegen den übergriffigen Staat verteidigen

Gut gemeinte Überwachungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr wie der Staatstrojaner werden weiterhin in Deutschland eingeführt.  Gerade in Thüringen sehen wir, dass eine Übernahme durch Verfassungsfeinde, die solche Instrumente liebend gerne zur Bekämpfung unserer Demokratie nutzen wollen, nie auszuschließen ist. Besonders in Anbetracht der stark angezweifelten Wirkung solcher Instruments sollten diese daher entschieden abgelehnt werden. Wir erwarten daher von der kommenden Bundesregierung, die Tendenz zum Überwachungsstaat umzukehren und Bürgerrechte zu stärken.

ÖRR verschlanken, GEZ reformieren

Das Angebot des ÖRRs wird seinem Anspruch nicht gerecht. Zu viele Sender und zu viele teure Prestigeprojekte im Sport und Unterhaltungsbereich verschwenden Geld, während politische Berichterstattung und fremdsprachige Angebote auf der Strecke bleiben. Ebenso ist die Handhabung digitaler Angebote wie den Mediatheken einfach nicht mehr zeitgerecht. Die Finanzierung des ÖRRs über die GEZ, die jeder Haushalt in gleicher Höhe bezahlen muss, ist außerdem nicht sozial verträglich. Die kommende Bundesregierung muss die lang überfällige Reform von Angebot und Finanzierung des ÖRRs endlich angehen.

Finanziell starke Kommunen brauchen Mitsprache

Unser Leitbild ist die finanziell starke und unabhängige Kommune. Diese muss selbstverständlich in der Lage sein, ihre Pflichtaufgaben auch ohne externe Fördermittel wahrzunehmen. Ebenso muss den Kommunen aber auch der Spielraum gewährt werden, weitere freiwillige Aufgaben zu übernehmen. Wir sprechen uns daher für eine grundgesetzliche Verankerung des Konnexitätsprinzips zugunsten der Gemeinden aus. Aufgabenänderungen veranlasst auf Bundesebene bedeuten aktuell häufig faktisch eine Mehrbelastung der Kommunen. Diesen muss insofern ein Durchgriffsrecht auf den Bund zustehen.

Freie Fahrt für Fahrradfahrer

Freie Fahrt für Fahrradfahrer

Die Jungen Liberalen Thüringen setzen sich für eine generell erlaubte Durchfahrt von Fahrradfahrern in Thüringer Fußgängerzonen ein. Dadurch soll die Fahrradmobilität gefördert werden und Fahrradfahrer anerkannte Teile des Straßenverkehrs werden. In Fußgängerzonen läuft primär ein nicht-motorisierter Verkehr ab. Fahrradfahrer müssen oft weite Distanzen schieben um nicht auf stark befahrenen Straßen fahren zu müssen, obwohl ein direkter, sicherer Weg durch Fußgängezonen oft nur dicht daneben liegt. Das ist sehr ungerecht und steht einer Verkehrswende, wie sie in den nächsten Jahren unausweichlich ist, im Weg. Ziel ist es, dass an Eingängen von allen Thüringer Fußgängerzonen das Zusatzzeichen 1022-10 („Fahrradfahrer Frei“) angebracht wird und somit eine Nutzung der Fußgängerzone auch für Fahrradfahrer in ganz Thüringen möglich wird, sofern dies nach Abwägung der Umstände, des Einzelfalls möglich ist.

Energiemix und Technologieneutralität als Weg zur Nachhaltigkeit

Energiemix und Technologieneutralität als Weg zur Nachhaltigkeit

Die Jungen Liberalen Thüringen setzen sich dafür ein, dass in der Landes- und Bundespolitik fortan einseitige Regelung und die Fokussierung auf eine oder wenige Technologien abgeschafft und durch die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Stromeinspeisung sowie der zeitlich begrenzten Förderung aller Technologien, welche die Klimabilanz der Energieerzeugung positiv beeinflussen.

Die JuLis Thüringen sind der Auffassung, dass die gesteuerte Fokussierung zum einen nicht zielführend und zum anderen nicht fortschrittlich ist. Aus ihrer Sicht führt dies ausschließlich zur sozialen und ökologischen Insuffizienz. 

Für die Jungen Liberalen Thüringen lassen sich die besten und klimafreundlichsten Technologien nicht staatlich festlegen, sondern entwickeln sich durch Forschung, Wettbewerb und Innovation. Es bedarf daher keines massiven staatlichen Eingriffes. Die EEG Umlage soll ersatzlos gestrichen werden und stattdessen eine Förderung von innovativen Technologien stattfinden.

Aufnahme der Lehre über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht in den Thüringer Lehrplan 

Aufnahme der Lehre über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht in den Thüringer Lehrplan 

Der derzeitige Stoffbereich Organspende, welcher im Ethik- bzw. Religionsunterricht vermittelt wird, umfasst eine Abwägungsdiskussion um den Spenderausweis zur Identifizierung der eigenen Position, welche jedoch nicht auf die speziellen Bedürfnisse eingeht, sondern zur Pauschalisierung veranlasst. Die Patientenverfügung steht dem entgegen.

Für Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und das Ziel der Chancengerechtigkeit sind Vorsorgevollmachten für den Fall der eigenen Bestimmungsunfähigkeit sowie die allgemeine 

Bildung für alle unabdingbar. Daher stellen die Jungen Liberalen Thüringen die Forderung nach Information und Unterrichtung.

Diese Unterrichtung wird im Rahmen des Ethik- und Religionsunterrichts der Oberstufe stattfinden und wird zusammen mit dem Thema Organspende behandelt.

Für Schüler mit Realabschluss soll diese Aufklärung an Berufsschulen im Sozialkundeunterricht stattfinden.

Die Unterrichtung über ausschließlich die Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht & Betreuungsverfügung findet jährlich durch externe beauftragte Juristen statt.

Unterrichtet wird über den Aufbau, den Inhalt, das Risiko des Nichtbesitzes und den Abgrenzungen zwischen den drei Dokumenten (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsvollmacht).

Zwei Wochen nach Erstellung der Dokumente können die Verfügungen & Vollmachten von einem Notar beurkundet und anschließend bei der Bundesnotarkammer hinterlegt werden.